FINANZMARKTKRISE
Hälfte des US-Rettungspakets wird erst später ausgezahlt
Der Entwurf für das größte Finanzmarkt-Rettungspaket der Geschichte ist verabschiedet - die Vergabe der Milliarden aber nicht endgültig geklärt: Dem Papier zufolge soll zunächst nur die Hälfte des Notfallfonds freigegeben werden. Über den Rest entscheidet der Kongress später.
Washington - 700 Milliarden Dollar sind eine gigantische Summe - 3500 Mal könnte man damit einen der teuersten Filme aller Zeiten drehen, errechnete der US-Fernsehsender CNN: James Camerons "Titanic". Mit 700 Milliarden Dollar will die US-Regierung die kriselnde Finanzbranche retten; nach zähen Verhandlungen verständigte sich der US-Kongress am heutigen Sonntag auf einen entsprechenden Entwurf.
Nach dem Papier, das am Sonntag vom Büro der demokratischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi veröffentlicht wurde, soll zunächst nur die Hälfte der vorgesehenen 700 Milliarden Dollar freigegeben werden. Über die Auszahlung der restlichen 350 Milliarden Dollar wird der Kongress zu einem späteren Zeitpunkt abstimmen, hieß es.
Dass das 700-Milliarden-Dollar-Paket in mehreren Tranchen bereitgestellt würde, wurde von Beobachtern erwartet. Bislang war allerdings immer von einer niedrigeren Soforthilfe die Rede: Anfänglichen Plänen zufolge sollte die US-Notenbank über 250 Milliarden Dollar Direktgelder verfügen können.
Wie CNN berichtete, steht die Abstimmung über den Entwurf im Repräsentantenhaus voraussichtlich an diesem Montag an. Auch der Verhandlungsführer der Republikaner, Judd Gregg, bestätigte am Sonntagabend die Einigung und sagte, der Plan sollte dem Repräsentantenhaus und dem Senat am Montag vorgelegt werden.
Agenturberichten zufolge soll das Votum über den Notfallfonds allerdings nicht vor Mittwoch stattfinden. Experten warnten, wenn vor Öffnung der Finanzmärkte am Montagmorgen ein Rettungspaket nicht endgültig auf dem Tisch liege, könnten die Märkte mit erneuten Kurseinbrüchen und Panik reagieren.
Starke Wirkung des Pakets "zweifelhaft"
Im Laufe des Tages sickerten weitere Details des Entwurfs für den historischen Notfallfonds durch: Um die Steuergelder abzusichern und den Staat auch an späteren Gewinnen zu beteiligen, soll der Staat Anteile an den betroffenen Unternehmen erhalten. Sollte Geld aus dem Hilfsprogramm verloren gehen, müssen die Unternehmen die Verluste ausgleichen.
Kontrolliert wird die Umsetzung des Plans dem Entwurf zufolge von vier Aufsichtsgremien, die unter anderem beim Kongress und beim Finanzministerium angesiedelt sind. Außerdem sieht der Entwurf Höchstgrenzen für die Gehälter der Spitzenmanager der betroffenen Unternehmen und ein Verbot von übermäßigen Abfindungen, den "goldenen Fallschirmen", vor.
Deutsche Wirtschaftsexperten nahmen die Einigung auf das Banken-Rettungspaket mit Erleichterung auf: "Das Paket kommt zur rechten Zeit, es ist dringend notwendig, trotz aller ordnungspolitischen Bedenken", sagte der Chef-Volkswirt der Allianz, Michael Heise, dem "Tagesspiegel". Mittelfristig sei nun eine Stabilisierung des Finanzsektors in Sicht. "Es wird zwar weiterhin schlechte Nachrichten geben, aber sie werden weniger. Die ganz großen Einschläge liegen hinter uns", sagte Heise der Zeitung. Auch für die Konjunktur sei das Vorhaben wichtig. Das Paket werde dazu beitragen, "dass sich die Perspektiven nicht noch weiter eintrüben".
Auch der Chef-Ökonom der BHF-Bank, Uwe Angenendt, begrüßte den Kompromiss. "Dieser Schritt war extrem wichtig, um die Nerven von Anlegern und Bankern zu beruhigen", sagte er dem Blatt. "Jetzt dürfte es an den Märkten zumindest keine weiteren dramatischen Kursverluste geben." Ob das Paket reiche, die Krise zu beenden, sei dagegen zweifelhaft. "Auch Europa ist nun stärker von den Problemen betroffen - wie stark, ist aber noch schwer einzuschätzen", sagte Angenendt.
Das von Finanzminister Henry Paulson vorgelegte Rettungspaket vor, dass der Staat angeschlagenen Banken für 700 Milliarden Dollar faule Kredite abkauft. Das Ringen um das "historische Rettungspaket" dauerte über eine Woche. Bereits am Donnerstag war eine Einigung verkündet worden. Bei einem dramatischen Treffen von Kongressmitgliedern mit Bush im Weißen Haus kam es aber zu offenem Streit und ungewöhnlich scharfen Wortgefechten. Im Zuge der Verhandlungen war Finanzminister Paulson vor Pelosi buchstäblich niedergekniet und hatte um Annahme der Vorschläge gefleht.
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