US-Kreuzfahrtschiffe
Großangriff aufs Mittelmeer
Die Kreuzschifffahrt trotzt der Krise. Deswegen schickt die US-Reederei Royal Caribbean International gleich acht ihrer 20 Megaschiffe nach Europa.
Royal Caribbean International
Die „Voyager of the Seas“ wird dieses Jahr zehn Jahre alt. Sie zählt zu den ersten Megalinern.
So verzeichneten die Anbieter von Schiffsreisen der DRV-Analyse „Der Kreuzfahrtenmarkt Deutschland 2008“ zufolge ein Passagierplus von 18,9 Prozent bzw. 906 620 Gästen insgesamt. Ähnlich ambitionierte Wachstumsraten werden auch für dieses Jahr erwartet. Geht alles gut, dann wird sogar die 1-Million-Schallgrenze erreicht.
Zum Geldverdienen nach Europa
Kein Wunder also, dass alle von diesem profitablen Markt eine Scheibe abhaben wollen. Deswegen lässt beispielsweise auch die TUI Mitte Mai ihr erstes Schiff vom Stapel. Das ist aber auch der Grund, warum der US-Kreuzfahrtriese Royal Caribbean International mit Macht in europäische Gewässer drängt. Denn der Heimatmarkt USA gestaltet sich zurzeit denkbar schwierig. Angesichts der akuten Wirtschaftskrise kann die Nachfrage nur noch durch radikale Preissenkungen stabil gehalten werden. „Dies ist das Jahr der Schnäppchen“, erklärt Kreuzfahrt-Spezialistin Carolyn Spencer Brown von der Cruisecritic.com.
Vor allem Reedereien wie Royal Caribbean International und Carnival Cruises sagt die Unternehmensberatung Goldman Sachs schwierige Zeiten voraus. Analyst Steven Kent: „Der Preisverfall resultiert aus der schwächer werdenden Nachfrage und der Tatsache, dass derzeit viele neue Schiffe auf den Markt kommen.“
Logisch also, dass da der Sprung in den Wachstumsmarkt Europa naheliegt. Vor allem Royal Caribbean schickt seit geraumer Zeit riesige Schiffe über den Teich. „Europa hat ein großes Potenzial, insbesondere der deutsche Markt. Das wollen wir noch stärker nutzen“, erklärt Tom Fecke, Statthalter von Royal Caribbean in Deutschland und der Schweiz. Waren 2008 sieben Megaliner mit einer Kapazität von 18 000 Gästen zwischen Mittelmeer und Ostsee unterwegs, so sind es in diesem Jahr acht mit Platz für 20 000 Gäste. Und im nächsten Jahr bleibt es zwar bei acht Schiffen, aber die Reederei ersetzt die „Legend of the Seas“ durch die „Adventure of the Seas“; der Megaliner kann 1310 mehr Gäste aufnehmen. So kommt man dann auf eine Gesamtkapazität von 21 300 Passagieren.
US-Schiffe funktionieren anders
Mit einer gewissen Gelassenheit beobachtet Falk-Hartwig Rost, Geschäftsführer von MSC Kreuzfahrten, den Großangriff der Royal-Caribbean-Flotte auf Europa. „Der Wettbewerb um die Kunden wird bereits an Land entschieden“, erklärt er. Die renommierte italienische Reederei mit jährlich rund 800 000 Gästen, darunter 125 000 Gäste aus Deutschland, weiß, auf was es ankommt: Liegeplätze, Logistik, Infrastruktur – und die wichtigste Frage: „Wie kommt der Kunde von zu Hause aufs Schiff?“ Will heißen, Flüge, Busse, Transfers, alles muss exakt getaktet sein.
Bei begehrten Zielen wie Barcelona haben aber zum Beispiel Newcomer wenig Chancen, direkt im Hafen anlegen zu können, sondern müssen weitab von den Städten anlegen und die Gäste mit Bussen dorthin bringen. Und in kleineren Häfen, wie zum Beispiel im Hafen der griechischen Insel Gythion, können die Ozeanriesen erst gar nicht anlegen, sondern müssen vor der Insel vor Anker gehen, sprich auf Reede. Die Gäste werden dann in sogenannten Tenderbooten an Land gebracht. Das kann Wartezeiten für die Passagiere bedeuten …
Amerikanische Schiffe in Europa: Ein bisschen anders sind sie schon, und das beginnt schon mit der Bordsprache Englisch. Außerdem wird an Deck in US-Dollar bezahlt. Ein Vorteil in Zeiten des schwachen Dollars, wie Royal-Caribbean-Manager Tom Fecke betont. Andererseits muss man wissen: US-Kreuzfahrtschiffe machen ihren Umsatz zu 65 Prozent an Bord. Das ist der Grund, warum sie meist mit überdimensionalen Casinos und Shopping Malls ausgestattet sind. Wenn Riesenschiffe wie die „Independence of the Seas“ komplett eigene Ferienwelten mit Surfpark, freitragenden Whirlpools, Eislaufbahn und Wasserpark bieten, dann steckt dahinter die Absicht, den Gast so lange wie möglich auf dem Schiff zu halten. Europäische Gäste dagegen haben andere Schwerpunkte. Falk-Hartwig Rost von MSC jedenfalls geht vorerst bei seiner Klientel davon aus: „Familien buchen keine Kreuzfahrt, um zu spielen und zu shoppen.“
source: focus
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