Montag, 24. November 2008

Obama: Amtseinführung Vier Millionen wollen zur Obama-Show

Es wird die größte Party der Welt: Über vier Millionen Menschen wollen zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten vors Kapitol ziehen. Die Stadt rechnet mit einem Chaos, Hotels und Hausbesitzer dagegen wollen abkassieren.
Barack Obama wird – wie hier 1981 Ronald Reagan – vor dem Kapitol eingeschworen
Dort drüben wird es also passieren. Washingtons Bürgermeister Adrian Fenty blickt nachdenklich zur weißen Kuppel des Kapitols, unter der ein paar Dutzend Arbeiter bereits an der Bühne für die Amtseinführung von US-Präsident Barack Obama hämmern. In seinem Gesicht spiegelt sich eine Mischung aus Spannung, Vorfreude und Sorge: „Es werden wohl drei- bis viermal soviel Leute kommen als bei allen Vereidigungsfeiern zuvor“, meint der Demokrat: „So ein Ereignis bekommt man nur einmal im Leben zu sehen.“

Knapp zwei Monate hat Fenty noch Zeit, seine Stadt auf das Jahrhundert-Event vorzubereiten. Am 20. Januar, punkt zwölf Uhr mittags, wird Obama dort als 44. Präsident eingeschworen – als erstes schwarzes Staatsoberhaupt Amerikas. Nicht nur für die Nation, auch für den Rest der Welt, ist das ein historischer Moment. Und diesen Moment wollen viele Amerikaner um jeden Preis persönlich und vor Ort miterleben.

Wo sollen vier Millionen Menschen hin?

Die Stadt rechnet mit einem Massenansturm, wie es ihn nirgendwo zuvor in den USA gegeben hat, mit der größten Party der Welt. Mehr als vier Millionen Menschen werden sich nach offiziellen Schätzungen an diesem Wintertag in Richtung Washington aufmachen, um Obama zu feiern. Die Frage lautet nur: Werden sie dort auch ankommen? Und wenn ja: Wo sollen sie hin? Gibt es für vier Millionen Menschen überhaupt genug Platz in der Stadt? Wo sollen sie schlafen, wo essen und trinken? Und wie sollen sie danach wieder heimkommen?

Das sind die Probleme, die Bürgermeister Fenty und sein Staab in den kommenden zwei Monaten lösen müssen. Es wird kleine leichte Aufgabe für sie sein. Zwar ist Washington seit vielen Jahrzehnten Großveranstaltungen gewohnt, aber eben nicht in dieser Dimension. Als Bill Clinton im Januar 1993 zum Präsidenten vereidigt wurde, erschienen 800 000 Zuschauer, zur Amtseinführung von George W. Bush im Januar 2001 kamen gerade einmal 300 000. Die bisher größte Menge zog Lyndon B. Johnson an. 1,2 Millionen zogen 1965 zur Vereidigung des John F. Kennedy-Nachfolgers vor das Kapitol. Selbst damals gab es bereits logistische Probleme. Wie soll das erst bei vier Millionen Menschen werden?

U-Bahn könnte an ihre Grenzen stoßen

Für Nicht-Washingtoner wird schon die Anreise zur Herausforderung. Die meisten Flüge in die US-Hauptstadt sind ausgebucht, auch Zugtickets kaum noch zu haben. Bleibt also noch das Auto. Die Polizei befürchtet, dass es bereits auf den Zufahrtsstraßen zum Chaos kommt. Außerdem gibt es in Washington kaum Parkplätze, die Innenstadt soll weiträumig abgesperrt werden. Es wird bereits überlegt, weit außerhalb der Stadt auf freien Wiesen und Feldern Massenparkplätze anzulegen und die Besucher mit Bussen weiter nach Washington zu transportieren – in der Hoffnung, dass man genug Busse einsetzen kann.

Wer es bis in die Vororte Washingtons schafft, kann auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Die Stadt hat ein gut ausgebautes U-Bahnsystem (Washington Metro) mit mehreren Haltestellen rund um das Kapitol. Doch auch die U-Bahn könnte am 20. Januar an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Der bisherige Rekord liegt bei etwas mehr als 850 000 Fahrgästen am Tag.
Vor dem Kapitol bereiten Arbeiter die Amtseinführung von Barack Obama vor
Vor allem die Suche nach einer Unterkunft dürfte für viele Obama-Anhänger schwierig werden: Zwar gibt es im Großraum Washington fast 100 000 Hotelzimmer, aber der Großteil ist längst vergeben und der Rest teuer. So verlangt etwa das „Ritz Carlton“ für sein „Inaugural Package“ für zwei Personen stolze 100 000 Dollar. In dem Luxuspaket sind vier Übernachtungen enthalten, dazu zwei Sitzplätze in der ersten Reihe für die Präsidentenparade (insgesamt gibt es dort nur 8700 Stühle), zwei Tickets für einen der offiziellen Inaugurationsbälle, auf dem Obama und Ehefrau Michelle tanzen werden, ein Chauffeur mit Limousine in ständiger Bereitschaft, ein Abendessen für zwei sowie ein Abendkleid und Smoking von „Saks Fifth Avenue“.

Durchschnittspreis: 3000 Dollar pro Bett

Wem die Dollars angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr ganz so locker sitzen, der kann es im „Hilton“ nebenan versuchen. Dort ist ein ähnliches Inaugurations-Paket schon für 90 000 Dollar zu haben – ebenfalls vier Nächte und Paradensitze in Pole Position, ebenfalls zwei Ball-Tickets – aber kein Shopping-Bummel bei „Saks Fifth Avenue“. Dafür gibt´s einen kostenlosen Hotelparkplatz, Frühstück für zwei und einen Limousinen-Service zum Flughafen.

Auch zahlreiche Hausbesitzer haben inzwischen das große Geschäft gewittert. Sie bieten Washington-Besuchern Zimmer, Kellerräume, Appartements oder ganze Häuser zum Mieten an. Der Durchschnittspreis: 3000 Dollar und mehr pro Nacht und Nase für ein Bett. Andere stellen sogar ihre Gärten gegen Bezahlung als Campingplätze zur Verfügung. Verlangt werden bis zu 500 Dollar pro Person – nach aktuellem Stand.

Schlafsäcke werden ausgerollt

Bei solchen Preisen werden viele wohl gleich vor das Kapitol ziehen, glaubt Bürgermeister Fenty, und auf der „National Mall“ ihre Schlafsäcke ausrollen. Die Mall ist ein knapp dreieinhalb Kilometer langer Park, der sich vom Kapitol-Hügel aus quer durch die Washingtoner Innenstadt bis zum Lincoln-Denkmal zieht. Entlang der Strecke will man Videowände und Lautsprecher aufstellen, damit auch jeder Obama sehen und hören kann.

Experten schätzen, dass die „National Mall“ bis zu drei Millionen Menschen fassen kann. Genau weiß das keiner, weil es in Washington bisher kein Ereignis gab, bei dem sich die Mall vollständig mit Besuchern füllte. Am 20. Januar könnte selbst sie zu klein für den Massenansturm sein. Wohin also mit all den Leuten?
Arbeiter bauen vor dem Weißen Haus eine Tribüne für den Tag von Barack Obama Amtseinführung auf
Bleibt noch die Pennsylvania Avenue. Über die breite Prachtstraße wird Obama nach seiner Vereidigung im Paradezug vom Kapitol ins Weiße Haus fahren. Die Pennsylvania Avenue könnte ein paar weitere Hunderttausend Menschen aufnehmen, schätzt die Polizei. „Die Leute müssen sich aber vorher entscheiden, wohin sie möchten“, warnt Fenty: „Wollen Sie Obama bei der Vereidigung sehen? Oder wollen sie ihn anschließend bei der Parade erleben? Beides geht nicht.“

Großausfgebot der Sicherheitskräfte

Nicht zuletzt wegen des erwarteten Ansturms hat die US-Regierung die Inaugurationsfeier zu einem „National Special Security Event“ erklärt, einem speziellen nationalen Sicherheitsereignis. Da spielt auch die Furcht vor einem Attentatsversuch auf Obama eine Rolle. Der „Secret Service“, der für den Schutz des Präsidenten zuständig ist, will das gesamte Areal weiträumig absichern. Zudem sollen Polizei- und Sicherheitskräfte aus allen Teilen des Landes in der US-Hauptstadt zusammengezogen werden. Doch selbst mit diesem Großaufgebot, befürchten Experten, lasse sich bei vier Millionen Menschen keine absolute Sicherheit garantieren.

Die große Unbekannte ist und bleibt aber das Wetter. Januartage in Washington können wohlig warm sein, wenn der Wind aus Süden weht und warme Luft aus dem Golf von Mexiko nach Norden schiebt. Oder sie können bitterkalt werden, wenn eisige Polarwinde aus Kanada durch die Stadt fegen. Berüchtigt sind auch Eisregen und Blizzards, die Washington innerhalb von ein paar Stunden zum Erstarren bringen können. Wohin sollen sich dann die Leute flüchten?

Muss die Party nach drinnen verlegt werden?

Entlang der „National Mall“ gibt es zwar mehrere Museen und auch Regierungsgebäude. Doch die haben höchstens für ein paar Tausend Menschen Platz, nicht für ein paar Millionen. Es ist in der Vergangenheit schon vorgekommen, dass die gesamte Amtseinführung wegen schlechten Wetters ins Kapitol verlegt werden musste. Wie würden die Leute dann reagieren?

Bürgermeister Fenty kann das auch nicht sagen. Er hofft auf gutes Wetter und auf Wind aus Süden. Farouk El-Baz, Professor an der Universität in Boston, der Menschenmengen auf der „National Mall“ analysiert hat, ist optimistisch, egal wie das Wetter nun ausfalle: „Die Leute kommen ja, um zu feiern. Sie werden also guter Laune sein und damit auch freundlich miteinander umgehen.“

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