Sonntag, 5. Oktober 2008

Vorbild für Deutschland Einwanderungsland USA?

Vorbild für Deutschland Einwanderungsland USA?

Von Dr. Nicolaus Fest

Die USA gelten vielen als klassisches Einwanderungsland, und gern wird die dortige Entwicklung als Argument für eine großzügige deutsche Immigrationspolitik herangezogen. Doch weder stimmt der Ansatz, noch Vergleich und Folgerung.

Die USA haben bei vielen Deutschen wenig Kredit. Linke wie ganz Rechte verachten den dortigen Kapitalismus ebenso wie das amerikanische Bekenntnis zu Freiheit, Wettbewerb und Selbstverantwortung.

Mexikaner warten auf Dunkelheit, um illegal über die schwer befestigte Grenze in die USA zu gelangen

Mexikaner warten auf Dunkelheit, um illegal über die schwer befestigte Grenze in die USA zu gelangen

Nur in einem Punkt gilt zumindest der Linken die USA als Vorbild: Bei der Einwanderung.

Hier wird mit Hinweis auf Amerika Ähnliches auch von Deutschland verlangt. Nicht nur die USA seien, so heißt es immer wieder, ein „Einwanderungsland“, auch die Bundesrepublik sei es.

Faktisch mag das in beiden Fällen richtig sein, für Deutschland allerdings erst seit ein paar Jahrzehnten. Doch wird der Begriff des „Einwanderungslandes“ auch deshalb von Linken so geschätzt, weil er neben der rein tatsächlichen auch eine begrifflich-moralische Feststellung trifft: Wenn Länder gleichsam naturgegebene Einwanderungsländer sind, darf man den Zuzug nicht skeptisch befragen, sondern muss ihn akzeptieren und begrüßen. Wer das nicht tut, verstößt gegen den inneren Charakter des Landes.

Hier liegt das eigentliche Motiv für die penetrante Hartnäckigkeit, mit der Deutschland zum Einwanderungsland erklärt wird: Es geht um Begriffshoheit. Ist Deutschland „Einwanderungsland“, muss jede Kritik verstummen. Um die Immigration auch intellektuell zu vermitteln, wird zudem auf ihre potentiellen Vorteile verwiesen. So zögen die USA, glaubt man den Worten mancher Optimisten, ihre „soziale und intellektuelle Dynamik aus der andauernden Einwanderung“.

Gern übersehen wird dabei, dass auch die Vereinigten Staaten ursprünglich keineswegs ein Einwanderungsland waren – zumindest nicht aus Sicht der dortigen Ureinwohner.

Diese wollten weder ihr Land mit den europäischen Eindringlingen teilen, noch ihre Wasserstellen, Viehherden oder Bodenschätze. Sie wollten religiös nicht bevormundet, sie wollten nicht in Reservate gesperrt werden, und auch die mit Krankheitserregern verseuchten Pferdedecken, welche die Weißen so freigiebig verteilten, hätten sie bei Kenntnis der Absichten nie angenommen. Erst der Völkermord an den Indianern machte die USA zu einem „Einwanderungsland“. Akzeptiert man, wie es viele Linke leichthin tun, dies als notwendiges Übel, kann man allerdings jedes Land zum Einwanderungsland machen, selbst die Schweiz oder Japan.

Dass die Ureinwohner die Einwanderung auch heute noch als tiefes Unrecht begreifen, zeigen die Entschädigungsklagen in Milliardenhöhe, die von kanadischen wie amerikanischen Indianern erhoben wurden; auch die früheren Herrscher Tasmaniens oder Australiens würden ihre jeweilige Heimat kaum als naturbestimmte Einwanderungsländer für weiße Herrenmenschen aus Europa definieren.

Wer diese Länder nicht allein aus europäischer Perspektive betrachtet, wird sich daher mit dem Begriff „Einwanderungsland“ schwer tun.

Und auch aus Sicht der nach Amerika verschifften Sklaven ist der Begriff von hohem Zynismus. Die afrikanischen Männer und Frauen wurden gefangen und verschleppt. Einwandern wollten sie nicht.

Wie so vieles in der Debatte um Immigration sind selbst grundlegende Begrifflichkeiten von hoher Verlogenheit. Sieht man von der Antarktis ab, finden sich auf dieser Welt schon seit Jahrhunderten keine Gebiete mehr, die jungfräulich unbesiedelt auf Einwanderer warten. Das aber heißt: Es gab und gibt keine „Einwanderungsländer“. Es gab Länder, die erobert wurden. Es gibt Länder, die Einwanderung forcieren. Immer aber liegen politische Entscheidungen zugrunde. Naturgegeben ist Einwanderung nicht.

Ob darüber hinaus die so gelobte „soziale und intellektuelle Dynamik“ der USA auch heute noch auf Einwanderung beruht, ist gänzlich zweifelhaft.

Wer die schwer bewachten Grenzanlagen zwischen den USA und Mexiko kennt, die Kontrollen der Küsten und Flughäfen oder die Voraussetzungen für den Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft, muss den Eindruck gewinnen, dass nicht die wahllose Zuwanderung die intellektuelle Dynamik der USA begründet, sondern die scharfe Selektion. Die USA wollen Spezialisten, Computerexperten, Top-Wissenschaftler.

Im Interesse der „sozialen und intellektuellen Dynamik“ wäre dies auch ein begrüßenswerter Ansatz für die deutsche Einwanderungspolitik. Diese Parallele zum „Einwanderungsland USA“ zieht die Linke leider nie.

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